Magische Geschichten aus der Lagune
Torcello, die stille Insel nördlich von Burano, ist nicht nur die älteste bewohnte Insel der Lagune, sondern auch einer der geheimnisvollsten Orte rund um Venedig. Zwischen uralten Mauern, leeren Gassen und grasbewachsenen Wegen ranken sich viele Legenden – Geschichten von Geistern, Kaisern und dem Teufel selbst.
Zwei Orte stehen dabei im Mittelpunkt: der berühmte „Teufelsstuhl“, auch bekannt als Attilas Thron, und die nahe Ponte del Diavolo, die Teufelsbrücke. Beide erinnern an die Zeit, als Torcello ein wichtiges Machtzentrum war – und zeigen, wie Geschichte und Mythos hier untrennbar verschmelzen.
Der sogenannte „Thron des Attila“
Mitten auf dem Platz vor der Kathedrale Santa Maria Assunta steht ein einfacher, aber massiver Steinstuhl. Er ist aus einem einzigen Block gehauen, mit breiter Sitzfläche und hoher Rückenlehne – unscheinbar, aber voller Symbolik.
Der Volksmund nennt ihn „Thron des Attila“, obwohl der legendäre Hunnenkönig hier nie war. Attila starb im Jahr 453, also lange bevor Torcello überhaupt besiedelt wurde. Trotzdem hält sich der Name hartnäckig – und mit ihm viele Geschichten.
Wahrscheinlicher ist, dass der Stuhl im 5. oder 6. Jahrhundert als Richter- oder Bischofsstuhl diente. Torcello war zu jener Zeit das administrative Zentrum der Lagune. Hier saßen die byzantinischen Statthalter oder der Bischof, wenn über Streitigkeiten entschieden wurde.
Für die Bewohner war der Thron ein Zeichen der Autorität – für spätere Generationen wurde er zum mythischen Relikt einer fernen Macht.
(Interner Link: Kathedrale Santa Maria Assunta & Mosaike)
Legenden rund um den Teufelsstuhl
Natürlich blieb ein so auffälliger Stein auf einer verlassenen Insel nicht ohne Geschichten. Im Laufe der Jahrhunderte entstanden zahlreiche Legenden, die erklären sollten, warum der Thron hier steht – und warum ihn niemand wagt zu berühren.
Die Sage vom Teufel und dem Mädchen
Eine der bekanntesten Legenden erzählt von einem jungen Venezianer, der sich in ein Mädchen aus einer Adelsfamilie verliebte. Die beiden durften nicht zusammen sein, weil ihre Familien verfeindet waren.
Als das Mädchen starb, schloss der junge Mann einen Pakt mit dem Teufel: In der Nacht auf Torcello würde er seine Geliebte zurückbekommen – wenn er dem Teufel die Seele eines Kindes überließe.
Sie trafen sich auf der Insel, der Teufel setzte sich auf den steinernen Thron und wartete auf das Opfer. Doch der Venezianer betrog ihn, flüchtete und ließ den Teufel allein zurück. Seitdem, so sagt man, kehrt er jede Nacht zum Thron zurück – in der Hoffnung, dass jemand den Pakt vollendet.
Viele behaupten, wer sich bei Vollmond auf den Stuhl setzt, spürt eine unerklärliche Kälte – oder hört ein Flüstern im Wind.
Verbindung zur Teufelsbrücke (Ponte del Diavolo)
Nur wenige Schritte vom Thron entfernt führt die Ponte del Diavolo über einen kleinen Kanal. Sie ist eine der wenigen Brücken in der Lagune ohne Geländer und wird oft gemeinsam mit dem Teufelsstuhl genannt.
Die Legende der Brücke ist eng mit der des Thrones verwoben:
Manche sagen, dass der Venezianer und der Teufel sich hier trafen, um den Handel zu besiegeln. Andere glauben, dass der Teufel nach seiner Niederlage verflucht wurde, jede Nacht auf der Brücke zu erscheinen – in Gestalt einer schwarzen Katze.
Die Ponte del Diavolo ist heute einer der meistfotografierten Orte der Insel. Besonders bei Sonnenuntergang, wenn Nebel über den Kanälen liegt, wirkt sie wie aus einer anderen Welt.
(Interner Link: Torcello – die älteste Insel der Lagune)
Archäologische Bedeutung
Historiker sehen den Thron nüchterner: Er stammt wahrscheinlich aus dem 6. oder 7. Jahrhundert und diente als Sitz des byzantinischen Statthalters. Solche steinernen Sitze waren in Verwaltungszentren üblich und symbolisierten weltliche Macht.
Der Thron könnte Teil eines größeren Forums gewesen sein, das sich einst um den Platz vor der Kathedrale erstreckte. Reste davon sind heute kaum noch zu sehen.
Trotzdem ist der „Teufelsstuhl“ ein authentisches Stück Frühgeschichte der Lagune – eines der wenigen Überbleibsel aus der Zeit, als Torcello das politische Zentrum des späteren Venedigs war.
Besuch des Teufelsstuhls
Der Thron steht frei zugänglich auf dem Platz vor der Kathedrale Santa Maria Assunta und kann zu jeder Tageszeit besichtigt werden.
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Eintritt: kostenlos
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Beste Zeit für Fotos: Vormittag (weiches Licht) oder Abend (Sonnenuntergang)
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Achtung: Bitte nicht auf den Stuhl setzen, da er als geschütztes Denkmal gilt
Wenn du magst, kannst du den Besuch des Thrones gut mit der Kathedrale und der Santa Fosca-Kirche verbinden. Alle liegen nur wenige Meter voneinander entfernt.
Wer von Venedig kommt, erreicht Torcello mit dem Vaporetto über Burano. Besonders praktisch ist der
👉 Venedig Wasserbus- und Festland-Buspass
oder alternativ ein geführter
👉 Bootsausflug zu den Inseln Murano, Burano und Torcello
(Interner Link: Burano Sehenswürdigkeiten)
Infobox: Der Thron in Kürze
🪑 Teufelsstuhl / Thron des Attila, Torcello
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Ort: Piazza vor der Kathedrale Santa Maria Assunta
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Herkunft: 6.–7. Jahrhundert
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Bedeutung: ehemaliger Richterstuhl, Symbol byzantinischer Macht
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Legenden: Pakt mit dem Teufel, nächtliche Erscheinungen, Fluch
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Eintritt: frei
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Tipp: Besuch am besten vormittags, dann liegt der Platz im besten Licht
Fazit
Ob Legende oder Geschichte – der „Teufelsstuhl“ von Torcello fasziniert jeden Besucher. Er ist ein Relikt aus einer Zeit, als die Lagune noch jung war, und zugleich ein Spiegel der venezianischen Seele: mystisch, geheimnisvoll und voller Geschichten.
Die Verbindung von Mythos, Geschichte und Landschaft macht Torcello zu einem einzigartigen Ort. Zwischen alten Steinen, stillen Kanälen und byzantinischen Mosaiken scheint die Zeit hier stehen geblieben zu sein.
Wer Burano besucht, sollte sich die wenigen Minuten Bootsfahrt nach Torcello gönnen – und selbst herausfinden, ob der Wind am Thron wirklich flüstert.